Was Ist Eine Psychedelische Erfahrung?
Veröffentlicht : August 1, 2022
Psychedelische Drogen erleben gerade sowohl in der Kultur als auch Medizin eine regelrechte Renaissance, vor allem weil die Cannabisreform über den Planeten fegt. Doch wie beschreibt man das Erlebnis auf diesen Drogen – wissenschaftlich, philosophisch und religiös? Und welches Potenzial birgt die psychedelische Erfahrung für die Conditio humana?
Psychedelische Erfahrungen wurden lange mit Skepsis oder unverhohlener Vorverurteilung betrachtet, doch die Moderne beweist, dass diese Erlebnisse im Allgemeinen nicht lebensbedrohlich sind, sondern sogar therapeutische Möglichkeiten eröffnen könnten.
Das zweite und dritte Jahrzehnt dieses Jahrhunderts werden wahrscheinlich als der Zeitraum bekannt werden, in dem psychedelische Drogen ihre Legitimität wiedererlangten. Selbst heute wird die sogenannte psychedelische Erfahrung nicht länger als einsame Zuflucht von Aussteigern oder als bloßer Gegenstand akademischer Untersuchung abgetan, sondern als wichtiges Werkzeug klinischer Methoden angesehen. In der Tat wird die psychedelische Therapie zunehmend populärer.
Dies ist eine drastische Veränderung zur vorherigen Meinung über derartige Drogen. Zu verschiedenen Zeiten in der Geschichte – zuletzt in den 1960ern und 1970ern – haben Autoren die Nutzung von Psychedelika popularisiert. Nach dieser Zeit kriminalisierte der "War on Drugs" diese Substanzen im Grunde überall, außer in bestimmten Orten wie Israel, wo die erste moderne psychedelische Forschung durchgeführt wurde, um zu verstehen, wie Psychedelika im medizinischen und wissenschaftlichen Kontext wirken.
Im Folgenden untersuchen wir die Merkmale der psychedelischen Erfahrung, die verschiedenen Substanzen, die solche Phänomene hervorrufen, sowie die religiösen, philosophischen und wissenschaftlichen Implikationen dieser Erlebnisse.
WAS SIND PSYCHEDELISCHE DROGEN?
Psychedelische Drogen gehören zu einer weit gefassten Kategorie von Substanzen, die als Halluzinogene bekannt sind.
Diese Drogen bewirken Veränderungen der Wahrnehmung, Stimmung sowie von kognitiven Prozessen und wirken sich von der Zeitwahrnehmung bis hin zum Sehvermögen auf alle Sinne aus. Im Extremfall können sie Halluzinationen hervorrufen; das heißt, man sieht oder hört Dinge, die nicht wirklich existieren.
Häufig verwendete psychedelische Substanzen sind unter anderem:
- LSD: Lysergsäurediethylamid wird aus Pilzen gewonnen, die Roggen infizieren. Angesichts seines Wirkprofils und seiner kulturellen Bedeutung gilt LSD als "klassisches" Psychedelikum.
- Psilocybin: Psilocybin, ein weiteres klassisches Psychedelikum, ist eine in Zauberpilzen vorkommende Verbindung. Diese wird im Körper in Psilocin umgewandelt, was ein psychedelisches Erlebnis hervorruft. Psilocybin-Pilze kommen überall auf der Welt vor und wurden zu allen Zeiten kulturübergreifend genutzt.
- Meskalin: Dieses klassische Psychedelikum wird aus mexikanischen Peyote- und San-Pedro-Kakteen gewonnen, um nur zwei Beispiele zu nennen. Es hat ebenfalls eine lange Geschichte der spirituellen Verwendung im amerikanischen Südwesten und Mexiko.
- DMT: Dimethyltryptamin, der Wirkstoff im berühmten Ayahuasca-Gebräu, vervollständigt die Kategorie der klassischen Psychedelika. DMT wird von manchen als stärkste psychedelische Droge der Welt angesehen, da es zu Visionen und Begegnungen mit außerweltlichen Wesenheiten führen kann.
- Ketamin: Ketamin wird eigentlich als Partydroge konsumiert, doch in Studien wird zunehmend darauf hingedeutet, dass eine Verabreichung unter ärztlicher Aufsicht angewandt werden kann, um schwere Depressionen und andere affektive Störungen zu beeinflussen.
- MDMA: "Ecstasy" ist eine berühmte Partydroge, die für gesteigerte Gefühle der Liebe, Empathie und Verbundenheit bekannt ist. Es gibt viele vielversprechende Forschungsarbeiten zu den potenziellen Anwendungen von MDMA in therapeutischen Settings.
WELCHE EFFEKTE RUFEN PSYCHEDELISCHE DROGEN HERVOR?
Unabhängig davon, wie sehr diese Drogen dämonisiert wurden, gibt es viele falsche Informationen bezüglich Psychedelika. Verglichen mit anderen Drogen (auch legalen, medizinisch verschriebenen Arzneimitteln) gehen viele Psychedelika mit einem geringen Abhängigkeitsrisiko einher, mit Ausnahme von Ketamin und MDMA. Überdies werden viele von ihnen von indigenen Völkern seit Tausenden von Jahren für therapeutische und spirituelle Zwecke genutzt.
Auch wenn Psychedelika generell als "sicher" angesehen werden können, stellen sie trotzdem ein erhebliches Risiko dar, wenn sie missbraucht werden. LSD hat unglaublich starke psychologische Effekte und Ketamin und MDMA können sehr gefährliche körperliche Auswirkungen haben.
Im Allgemeinen verändern die Effekte dieser vielfältigen Drogengruppe die Wahrnehmung der Umgebung sowie der Gedanken und Gefühle. Ein "Trip" oder eine "psychedelische Erfahrung" umfasst verschiedene häufig auftretende Empfindungen, darunter sowohl intensivierte Gefühle als auch sinnliche Phänomene, wie das Sehen leuchtenderer Farben, das Hören von tieferen Klängen und die Wahrnehmung, dass die Zeit entweder sehr langsam oder sehr schnell vergeht.
Aus körperlicher Sicht gibt es keine für Psychedelika charakteristischen Auswirkungen. Generell haben die klassischen Psychedelika – Psilocybin, Meskalin, LSD und DMT – sehr wenige körperliche Effekte. Ketamin und MDMA hingegen haben ihre ganz eigenen, sehr ausgeprägten körperlichen Effekte.
WAS BEDEUTET "PSYCHEDELISCH"?
Der Begriff "psychedelisch" wurde von Humphry Osmond geprägt, einem Psychiater, der den Ausdruck in seinem Briefwechsel mit Aldous Huxley verwendete. Er leitet sich von den griechischen Wörtern "psȳchḗ" (Geist, Seele) und "dēloũn" (sichtbar machen, offenbaren) ab. Also könnten wir sagen, dass psychedelisch "den Geist offenbaren" bedeutet.
Interessanterweise wurde der Begriff "Trip" erstmals von Wissenschaftlern der US-Armee geprägt, als sie in den 1950ern Experimente mit LSD durchführten.
WAS IST DIE PSYCHEDELISCHE ERFAHRUNG?
Eine psychedelische Erfahrung beschreibt einen vorübergehend veränderten Bewusstseinszustand, in der Regel durch den Konsum einer psychedelischen Substanz hervorgerufen. Derartige Erlebnisse können extrem angenehm sein – oder ziemlich beängstigend.
Ein bemerkenswerter Aspekt von psychedelischen Erfahrungen ist die visuelle Veränderung. Nutzer erleben häufig die spontane Entstehung von komplexen, fließenden und geometrischen, von Objekten der physischen Umgebung überlagerten Mustern. Wenn die Augen geschlossen sind, überträgt sich dies auf eine Verzerrung der "inneren Welt" – also das Bewusstsein einer Person.
Diese Erfahrung ist nicht zwangsläufig halluzinogen – was bedeutet, dass eine Person ihre Umgebung teilweise oder vollständig "neu konzipiert" –, doch solche Erlebnisse können vorkommen, besonders bei höheren Dosen oder mit DMT.
AUS RELIGIÖSER SICHT
Zu Drogen, die psychedelische Erlebnisse triggern, gehören auch natürlich vorkommende Substanzen, die traditionell von verschiedenen Gruppen und Individuen genutzt werden, darunter mesoamerikanische Stämme, asiatische Kulturen sowie Schamanen und Druiden.
Der britische Autor Alan Watts verglich die psychedelische Erfahrung mit der im Daoismus oder Zen-Buddhismus vollzogenen Transformation des Bewusstseins. Watts beschreibt das Erlebnis als "Korrektur falscher Wahrnehmung oder die Heilung von einer Krankheit", was aber "kein Akquisitionsprozess des Erlernens von immer mehr Fakten oder immer besseren Fähigkeiten ist, sondern eher das Verlernen von falschen Gewohnheiten und Ansichten".
RELIGIÖS MOTIVIERTE LEGALISIERUNGSVERSUCHE
Vor dreißig bis vierzig Jahren war die American Civil Liberties Union die einzige amerikanische Organisation, die sich für die religiöse Freiheit der Peyote nutzenden indigenen Völker Nordamerikas einsetzte. Während sich die Legalisierung von Cannabis immer mehr verbreitete, gab es auch Versuche, andere Psychedelika sowohl für medizinische als auch religiöse Zwecke zu legalisieren. Heute gibt es eine religionsübergreifende Koalition, die sich untereinander abstimmt und sich für die Nutzung von Entheogenen (Substanzen, die spirituelle Erlebnisse verstärken) als durch die US-Verfassung zugesichertes religiöses Recht einsetzt.
Ein bemerkenswerter Aspekt dieser Bewegung ist, dass sich ihre Vertreter als Mitglieder von etablierten, langlebigen religiösen Glaubensrichtungen erweisen. Jüdische Bräuche binden Psychedelika zum Beispiel seit Langem in Gebetszirkel und Schabatt-Rituale ein.
Außerhalb der USA ist dies kein Blickwinkel, der häufig als Rechtsverteidigung angewandt wird, und aus diesem Grund gibt es nur wenige verbreitete Bewegungen, die die Reform vorantreiben.
Nun, da die Reform geläufiger wird, sind an dieser Front jedoch andere interessante Entwicklungen im Gange. In Israel, der Heimat der modernen medizinischen Cannabiswissenschaft, setzt sich endlich die Akzeptanz von koscherem Cannabis durch. Das erste Unternehmen erhielt die Genehmigung, eigens angebaute Pflanzen an orthodoxe Juden zu liefern.
AUS PHILOSOPHISCHER SICHT
Der philosophisch motivierte Gebrauch von Psychedelika ergab sich als direkte Folge der Gegenkultur der 1960er und 1970er. In der Tat waren es überwiegend Autoren der Zeit, die das Experimentieren mit psychedelischen Substanzen als Möglichkeit ansahen, die Conditio humana durch Selbsterforschung besser zu verstehen.
Gewisse Denker wie Dr. Timothy Leary (der auch ein Teilnehmer der LSD-Tests der US-Regierung war) und die Schriftsteller Ken Kesey, Aldous Huxley sowie Robert Hunter machten diese Drogen in den progressiveren Teilen der Gesellschaft bekannt. Die Geschichte ist jedoch geteilter Meinung über ihren Einfluss auf die Legalisierung von Drogen. In der Nacht von Kennedys Wahl im Jahr 1960 wurde Leary von Huxley sogar angeheuert, um den Gebrauch neuer psychedelischer Drogen zu popularisieren.
Einer der bekanntesten Autoren, der sich in dieser Zeit auf Psychedelika konzentrierte, war Terence McKenna. McKenna war ein Philosoph, Schriftsteller und Gelehrter, der sein Leben dem Studium von Schamanismus, Spiritualität und Ethnopharmakologie widmete.
AUS WISSENSCHAFTLICHER SICHT
Es gab mehrere Phasen der wissenschaftlichen Untersuchung von psychedelischen Drogen. Die erste Phase intensiver Erforschung ereignete sich im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Seitdem haben Forscher mittels einer Reihe von Theorien und Modellen versucht, psychedelische Erfahrungen zu interpretieren. Es existiert jedoch noch immer keine Standard-Taxonomie. Im Folgenden erläutern wir zwei führende wissenschaftliche Sichtweisen auf den psychedelischen Zustand des Gehirns beziehungsweise die psychedelische Erfahrung an sich.
FILTERTHEORIE
Die in der Mitte des 20. Jahrhunderts durch Aldous Huxley und Humphry Osmond bekannt gemachte und erweiterte Filtertheorie besagt, dass das Gehirn sich selbst automatisch "filtert" und dass Psychedelika Zugang zum gesamten Gehirn gewähren – ohne die Filter.
Die moderne wissenschaftliche Forschung hat in der Tat Belege gefunden, die diese ursprünglich aus subjektiver Erfahrung abgeleitete Vermutung unterstützen. Es wird angenommen, dass eine als Default Mode Network (dt. Ruhezustandsnetzwerk) bekannte Gehirnregion die Erlebnisse einer Person tatsächlich filtern könnte. Es ist nachgewiesen worden, dass Psychedelika diesen Teil des Gehirns auf eine Weise beeinflussen könnten, die zu einer Art "Reset" führt (Hamilton et al., 2011).
ERHÖHTES BEWUSSTSEIN
Eine weitere in dieser Zeit popularisierte Vorstellung war, dass eine psychedelische Erfahrung die nicht-spezifische Verstärkung unbewusster mentaler Prozesse ermöglicht.
In einer Studie kam man zu dem Schluss, dass mit dem Bewusstsein assoziierte Regionen des Gehirns unter dem Einfluss von Psychedelika eine höhere Aktivität zeigten. Deswegen behaupteten die Forscher, dass Psychedelika "das Bewusstsein erhöhen" (Schartner et al., 2017).
VERSCHIEDENE SICHTWEISEN, ÄHNLICHE ERKENNTNISSE
Da das Interesse an psychedelischen Drogen eine Art Renaissance zu erleben scheint, wird man wahrscheinlich bald besser verstehen, was beim Konsum solcher Substanzen auf materieller Ebene eigentlich geschieht. Ganz gleich, auf welche Weise die psychedelische Erfahrung erklärt oder verstanden worden ist, die Erkenntnisse und Erklärungen neigen dazu, auf dieselben Kerngedanken hinauszulaufen.
Erhöhte Verbundenheit, ein Gefühl der Akzeptanz und Einheit sowie Ich-Auflösung sind neben einem allgemeinem Gefühl von erhöhtem Bewusstsein allesamt verbreitete Phänomene der psychedelischen Erfahrung.
Wie diese Erfahrungen genutzt werden könnten, um problematische Erkrankungen wie Depressionen oder PTBS zu behandeln, beginnen wir gerade erst herauszufinden. Doch es könnte gut sein, dass die Beobachtungen von Menschen, die Psychedelika aus religiösen Gründen nutzen oder sie aus philosophischer Sicht untersuchen, sehr nah an die Erkenntnisse der quantitativen wissenschaftlichen Forschung heranreichen.
Aus all diesen Gründen wird man im nächsten Jahrzehnt fasziniert dabei zusehen können, wie der Mensch sein Verständnis der psychedelischen Erfahrung erweitert und ergründet, wofür sie sich eignet und wie man sie am besten nutzt, um die menschliche Erfahrung insgesamt voranzubringen.